Trial als Motivation

Trial-Kurse Bericht in der Zeitschrift TOURENFAHRER Ausgabe 10 / 1997 


Trialfahren als Motivationshilfe

 

Text und Fotos von Marc Marcel Reichel

Neue Wege in der erzieherischen Arbeit geht das Jugendamt der Stadt Steinfurt: In Zusammenarbeit mit der Jugendgerichtshilfe werden zweimal pro Jahr Trialkurse abgehalten, an denen sozial gefährdete oder straffällig gewordene Jugendliche teilnehmen. Mit Sorgenfalten auf der Stirn schaut Stefan die ausgewaschene Fahrspur hinauf. Gerade ist sein Gruppenkollege Markus dabei, den steil nach oben führenden Waldweg zu bezwingen: In den Rasten einer 140er Trialmaschine stehend, zirkelt er vorsichtig durch die Kurve, die auf die Kuppe führt.

Dieser Steilhang hatte es Stefan schon am ersten Tag angetan, und heute soll er bezwungen werden. Die Strecke ist frei, Instruktor Elmar gibt das Zeichen, mit dosierten Gasstößen setzt sich Stefan in Bewegung. Wie die meisten anderen in der siebenköpfigen Gruppe hatte Stefan bis drei Tage zuvor noch nie auf einem Motorrad gesessen. Daß er jetzt Teilnehmer an einem Trialkurs ist, verdankt er der Initiative der engagierten Mitarbeiter des Jugendamtes und der Jugendgerichtshilfe des Kreises Steinfurt.

Nachdem man dort vor drei jahren auf ein Trialprojekt in Saarbrücken aufmerksam geworden war, schuf man auch im Tecklenburger Land die Voraussetzungen, Motorradfahren mit Jugenderziehung zu kombinieren. >>Erlebnissorientierte Erziehung<< nennt sich das Ganze, den meisten wird dieser Begriff eher in Zusammenhang mit Abenteuerspielplätzen, Segelturns und Kajakkursen geläufig sein. Ziel ist es, während einer Woche die Vorraussetzungen zu schaffen, um Denkanstöße zu vermitteln. Denkanstöße, die nötig sind, denn ganz freiwillig sind die Jugendlichen nicht hierein gekommen. Teilweise ist die Teilnahme auf Anraten des Jugendamtes zustande gekommen – nämlich wenn das Jugendamt die Maßnahme als förderlich in bezug auf die Entwicklung des Jugendlichen erachtet.

Mitunter soll aber auch als Auflage eines Urteils des Jugendgerichts versucht werden, Erziehung auf eine etwas andere Art anzugehen. Belohnung statt Strafe für vergangene Delikte also ? Mitnichten, widerspricht Initiator Wolfgang Kaul, Sozialpädagoge beim Kreis Steinfurt. Zum einen geht es nicht um Gewaltkrimilität, sondern eher um minder schwere Delikte wie <<Fahren mit frisierten Mofa>>. Zum anderen geht auch die Jugendgerichtsbarkeit primär von erzieherischen Maßnahmen aus, wenn gestraft werden muß. Erklärtes Ziel ist es, per positivem Erlebnis den Horizont zu erweitern und legitime Möglichkeiten zu finden, in der Gruppe und für sich selbst Bestätigung zu erlangen,.

Nicht die ungestüme Kraftentfaltung führt zum Ziel, sondern die Beherrschung. In die gleiche Richtung argumentiert auch Jugendrichter Vossholz vom Amtsgericht Steinfurt, der es sich nicht nehmen läßt, die praktische Durchführung der Maßnahme selbst in Augenschein zu nehmen. Schon seit Jahren unterstützt er dieses Projekt mit der Zuweisung von Bußgeldern – alleine durch die gering gehaltenen Teilnehmerbeiträge ließe sich die Sache nicht finanzieren. Daß auch der Richter aufs Motorrad steigt, um sich zu versuchen, stößt bei den zwischen 15 und 17 Jahre alten Jugendlichen auf ein gutes Echo.

Barrieren werden abgebaut, das Feindbild vom Vertreter staatlicher Allmacht beginnt zu bröckeln. Derweil hat Instruktor Elmar Heuer schon einen Blick auf die nächste Sektion geworfen. Dosiertes Bremsen am Hang ist angesagt – wie bei allen Übungen geht es eher darum, langsam und mit Bedacht sein Ziel zu erreichen und daran zu wachsen. Zwar reizt es den einen oder den anderen mitunter, den Gasgriff weiter aufzudrehen als erforderlich, doch mit der gewohnten << Vollgasmentalität>> ist beim Trialfahren nicht durchzukommen. Eher mit Gruppengeist, der während dieser Woche gefördert werden soll.

Drei Motorräder für sieben Leute, das heißt auch, mal nicht auf sein Recht zu bestehen und das Bike aus der Hand zu geben, wenn ein Schwächereer noch eine Extrarunde benötigt. Das Übungsgelände nahe der Moto-Cross-Strecke bei Werl ist ideal: Ausgewaschene Wege führen zwischen Baumgruppen hindurch, eine langgezogene Böschung zieht sich am verwitterten Wall entlang. Fernab von Pommesbuden, Spielautomaten und anderen >>Segnungen<< der konsumorientierten Welt ist die Gruppe auf sich gestellt.

Eigen- und Mitverantwortung sind gefragt: Wer mittags nicht Kohldampf schieben will, muß lernen, sich rechtzeitig ums Essen zu kümmern. Am Abend sitzen die Teilnehmer in lockerer Runde zusammen im angemieteten Seminarhaus, die Ereignisse des Tages werden besprochen. Was ist gut angekommen, was hat nicht gefallen ? Nicht immer ganz einfach den richtigen Ton zu finden und Anregungen wie Kritik zu formulieren.

Stand tagsüber während der praktischen Übungen Instruktor Elmar im Vordergrund, ist jetzt die Stunde von Wolfgang und seiner Kollegin Gaby Ortmeier gekommen. Mit pädagogischem Geschick gelingt es, Probleme herauszuarbeiten und Dinge auf den Punkt zu bringen. Was aber bringt diese Maßnahme auf lange Sicht ? Jugendrichter Vossholz ist sich mit den Iniatiatoren des Kurses einig. Da das Jugendrecht auch bei der Bestrafung von einem erzieherischem Element ausgeht, sind Modellprojekte wie diese geeignet, die Jugendlichen zu konstruktiver Handlungsweise zu bewegen und Alternativen aufzuzeigen als Sozialstunden oder Jugendarrest.

Projekte ähnlicher Machart werden mittlerweile auch in Greven und Münster durchgeführt. Und was halten die Jugendlichen von dieser Woche ? Bei den meisten stößt der Trialkurs auf gute Resonanz – wann sonst ergibt sich schon die Gelegenheit, ganz legal Motorrad zufahren und auch noch Spaß dabei zu haben. Und am Ende gibt es niemanden, der den ins Visier genommen Steilhang nicht bewältigt hätte.

Der Mann für Trial und Technik ist Elmar Heuer. Seit 1993 führt der aus dem Moto-Cross-Sport stammende Münstereaner regelmäßig Trialkurse durch, unter anderm in Zusammenarbeit mit Jugendämtern und Jugendgerichtshilfen. (Kontaktadresse: Elmar Heuer Zweiradaktionen, Wersedaipe 12,  48157 Münster) Der selbstständige Instruktor engagiert sich zudem bei Sicherheitstrainings, Motorrad-Incentives und der Organisation von Trialtouren.

 


Projekte ähnlicher Machart: Anmerkung von Elmar: Diese werden immer noch durchgeführt.

 

Von 1987 bis 1989 führte Elmar Heuer in Zusammenarbeit mit Sozialpädagogen Verkehrserziehungstrainings
für den MOT TREFF KOTTEN in Münster durch. Seit 1990 werden diese Kurse durch Kollegen von Elmar weiter geführt. Diese Kollegen mieten dafür auch Elmars Motorräder. Und in Greven führt Elmar Heuer nach wie vor Kurse und Projekte durch.